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AERZTE Steiermark 04/2024

 

Was die KI kann, soll und darf

Die Künstliche Intelligenz (KI) oder Artificial Intelligence (AI) lässt kaum jemanden kalt. Aber was kann sie wirklich? Eine große Fortbildungsveranstaltung in Graz suchte nach Antworten. Sie kamen aus der Medizin, der Technik und der Ethik.

So wirklich neu ist die Künstliche Intelligenz nicht. Schon 1943 haben Warren McCulloch und Walter Pitts zu künstlichen neuronalen Netzwerken publiziert. Einziges, aber ernsthaftes Problem: Es fehlten damals die Möglichkeiten der technischen Umsetzung.

„Die aktuelle Form der KI kann nur mit extrem hoher Rechenleistung realisiert werden“, sagte dazu der Computerwissenschafter Thomas Pock (TU Graz) bei einer großen Fortbildungsveranstaltung der Ärztekammer Steiermark. Selbst heute ist es laut Pock großen Technologieunternehmen vorbehalten, das Training von Tools für die Künstliche Intelligenz zu bewältigen. Ein neuer Chip für breit angelegte Deep-Learning-Modelle steht zwar zur Verfügung, aber für Universitäten sei es fast unmöglich, solche Chips zu bekommen, sagte der Wissenschafter. Daher bleiben die großen Tech-Konzerne wie Google, Apple oder Microsoft bei der Umsetzung quasi unter sich. „No chance for universities to participate in this kind of research”, resümierte Pock.

Eine der klassischen medizinischen Anwendungen ist die Erkennung von bösartigen Hautveränderungen. Damit eine KI das gut kann, muss sie aber zuvor mit Millionen von Bildern gefüttert werden.

Hier zeigt sich aber auch eine Schwäche der Künstlichen Intelligenz: Kleine Veränderungen in den Bildern – auch solche, die Menschen kaum wahrnehmen – verwirren KI-Anwendungen, während menschliche Diagnostiker:innen damit kaum Probleme haben. Dennoch ist die KI unterm Strich besser als der Mensch: „Die Endgenauigkeit übertrifft die eines dermatologischen (menschlichen) Profis“, fasste der Techniker die Erkenntnisse einer Arbeit von Andre Esteva, Brett Kuprel, Roberto Novoa, Justin Ko, Susan M. Swetter, Helen M. Blau und Sebastian Thrun aus dem Jahr 2017 zusammen.

Dennoch sei im „Dritten Frühling“ der KI das menschliche Gehirn noch weit überlegen. Die Frage ist nur: Wie lange noch? Denn neue Technologien seien vielversprechend.

Die Umweltmedizinerin und Public-Health-Expertin Daniela Haluza von der Med Uni Wien hat bereits versucht, eine KI-Anwendung als Ko-Autor:in eines Fachartikels zu installieren. Der Versuch ist vorerst gescheitert. Zwar akzeptierte die KI ihre Mitautor:innenschaft und brachte auch einiges ein. Letztlich entschieden aber die Herausgeber des Journals gegen die Beteiligung der KI. Ob sie das in einigen Jahren auch noch machen würden?

Künstliche Intelligenz habe „Potenzial zur Transformation der Forschungslandschaft“, meint die Umweltmedizinerin und ergänzt, dass sie Forschungsprozesse beschleunigen könne. Die Medizinethikerin Martina Schmidhuber von der Universität Graz kritisiert, dass Menschen bisweilen leichtfertig ihre (Gesundheits-)Daten aus der Hand geben. Dies sei nur unproblematisch, solange man gesund sei. Im Krankheitsfall könnten dagegen Probleme mit Versicherungen, Arbeitgeber:innen etc. entstehen.

Vier medizinethische Prinzipien müssten jedenfalls auch für die Künstliche Intelligenz gelten: Da ist zunächst einmal die Autonomie. Wurden die Patient:innen umfassend aufgeklärt? Und haben sie sich aus freien Stücken entschieden, sich der medizinischen KI auszusetzen? Das sind für Schmidhuber die wesentlichen Fragestellungen. Zweiter Punkt ist das „Wohltun“. Die Frage, ob die digitale Medizin dem Wohl der Patient:innen diene, müsse mit Ja zu beantworten sein. Dritter Punkt ist der klassische Grundsatz „primum nil nocere“. Der gilt für jede Ärztin, jeden Arzt und müsse auch für die KI gelten.

Die vierte Frage betrifft die „Gerechtigkeit“: Die Fragestellung, die mit einem eindeutigen Ja zu beantworten sei: Ist der Zugang zur digitalen Medizin für alle gewährleistet, die sie wollen bzw. brauchen?

Der deutsche Universitätsmediziner Jochen Werner rechnet damit, dass innerhalb einer Zeitspanne von weniger als 20 Jahren eine untrennbare Verbindung zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz gelingen werde. Künstliche Intelligenz würde dann nicht mehr in Frage gestellt werden.

 

In der Normalität angekommen

Alexander Moussa, niedergelassener Allgemeinmediziner in Hartberg und Leiter des ÖÄK-Referats E-Health in Ordinationen, ist der Meinung, dass so manches, das in der Vergangenheit  „Science Fiction“ war, inzwischen in der Normalität angekommen sei. Ein griffiges Beispiel ist für ihn die Bildschirmbrille, die der namhafte SciFi-Verleger Hugo Gernsback Anfang der 60er Jahre als Zukunftsvision der Öffentlichkeit präsentierte, die aber 2024 längst in der Normalität angekommen sei, auch in der medizinischen.

Moussa zitiert aus dem Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz, in dem als Definition von E-Health von der „kos­teneffizienten und sicheren Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung der Gesundheit und gesundheitsnahen Bereiche einschließlich Gesundheitsdienstleistungen, Gesundheitsüberwachung sowie gesundheitlicher Aufklärung, Bildung und Forschung“ die Rede ist. Nicht die digitale Medizin, sondern die digitale Transformation des Gesundheitssystems sei die Herausforderung.

Moussa nannte in seiner Präsentation bei den Seminaren im März auch beeindruckende Zahlen: 9.201 Ärztinnen und Ärzte hätten ein E-Card-System, im Oktober 2023 seien fast 8.300 Ärztinnen und Ärzte in Österreich aktive E-Rezept-User gewesen, von 1. Oktober 2022 bis 30. September 2023 sei die E-Card mehr als 160.000-mal in Ordinationen gesteckt worden. Innerhalb von 18 Monaten seien 389 Millionen Verordnungen über die E-Medikation ausgestellt worden. Moussas Credo: Digitalisierung muss die Tätigkeit unterstützen und Arbeit erleichtern!

Der Ärztekammer-Repräsentant nannte auch einige zusätzliche standespolitische Eckpunkte, die es zu verwirklichen gelte: Das Hauptaugenmerk sei auf „Usability durch zeiteffizient und leicht bedienbare Benutzeroberflächen“ zu legen. Wichtig seien „praktikable und anwenderfreundliche Lösungen unter Berücksichtigung der Ärzteschaft als Hauptusergruppe“. Erforderlich sei eine „gemeinsame e-Health-Roadmap abgestimmt mit allen Stakeholdern“. Wesentlich sei die „Bereitstellung von interoperablen und standardisierten Schnittstellen“ und vor allem seien die „ausreichende Finanzierung und realistische Zeitachsen für E-Health-Projekte durch die öffentliche Hand“ zu gewährleisten.

Fazit: Die Medizin wird komplexer, technischer und mathematischer. Manche Fachrichtungen (Radiologie, Pathologie) sind mehr von der KI betroffen als andere. Digitale Medizin und KI müssen den Workflow in den Ordinationen unterstützen. Ärzt:innen stehen der Digitalen Medizin positiv gegenüber, soweit sie Nutzen für die Patient:innenbetreuung bedeutet. „Rechtliche Rahmenbedingungen“ müssten aber jedenfalls festgelegt werden. Moussa verwies auch auf das Positionspapier der Öster­reichischen Gesellschaft für Telemedizin und E-Health (ÖGTelemed). Das Positionspapier der ÖG­Telemed zum European Health Data Space (EHDS) betont die Bedeutung von Datenschutz, Rechtssicherheit, Qualität und Transparenz in der Nutzung von Gesundheitsdaten.

Die Initiative der EU zur Verbesserung der Rechtssicherheit und der Gesundheitsversorgung durch den EHDS wird grundsätzlich begrüßt, jedoch müssen bei der Umsetzung in Österreich realistische Zeitpläne, ausreichende Finanzierung und der Schutz der Grundrechte sichergestellt werden.

Die ÖGTelemed fordert die Schaffung eines Austrian Health Data Space (AHDS), der auf den Erfahrungen mit ELGA aufbaut und klare, transparente Regeln für die Nutzung von Gesundheitsdaten sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärnutzung vorsieht. Dabei sollen bürokratische Hürden minimiert und der Mehrwert für Patient:innen und Leistungserbringer im Vordergrund stehen.

Ein unabhängiger Ethikrat und ein transparenter Zugang zu Gesundheitsdaten für Sekundärnutzung sind essenziell, um das Vertrauen der Bürger in den EHDS zu stärken und ihre informationelle Selbstbestimmung zu wahren.

 

Nähere Informationen zum Thema: www.oegtelemed.at/publikationen/

 

Entscheidend ist das Vertrauen

Von Robert Mischak

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der zukünftigen Medizin?

 Die menschliche Intelligenz auf den IQ zu reduzieren wäre völlig falsch. Howard Gardner definiert in seinem Aufsatz „A Multiplicity of Intelligences“ gar neun verschiedene Formen, darunter die linguistische, logisch-mathematische, musikalische, räumliche und kinästhetische Intelligenz. In der Informatik hat sich neben business intelligence der Begriff artificial intelligence (AI oder KI) etabliert. Durch das Aufkommen generativer KI (z. B. ChatGPT) wurde – wieder einmal – ein Hype ausgelöst.

Innerhalb der Informatik ist es weitgehend unstrittig, dass solche KI-Anwendungen nur als Unterstützung dienen können und sollen. Die Unterstützung durch KI ist dort sinnvoll, wo sie den Ärzt:innen aufwendige Recherchen oder Berechnungen abnimmt, denn die Maschine ist den Menschen in Hinblick auf Schnelligkeit und Fehlerlosigkeit weit überlegen. KI-Unterstützung für ärztliche Entscheidungen kann es bei Auffälligkeiten in Laborbefunden, Wechselwirkungen von Medikamenten, Verlaufsprognosen und vielem mehr geben.

Diese second opinion wird den erfahrenen Ärzt:innen als Bestätigung und den jüngeren als Hilfestellung dienen. Gerade im niedergelassenen Bereich, wo man sich nicht ständig mit Kolleg:innen austauschen kann, scheint dies besonders sinnvoll.

Entscheidend für die Akzeptanz der KI ist das Vertrauen, dass die KI richtige und relevante Ergebnisse liefert. Deswegen wird in der Informatik mit Nachdruck zur explainable AI geforscht. Nicht zuletzt werden auch die Bestimmungen des EU AI Act, wenn sie sinnvoll umgesetzt werden, zur Akzeptanz beitragen. Die Rolle von Ärzt:innen ist ohnehin mehr eine soziale als technische. Hoffnung, Trost und Empathie werden weiterhin nur von Menschen und nicht von Maschinen gespendet werden.

 

DI Dr. Robert Mischak MPH ist Instituts- und Studiengangsleiter eHealth sowie Vorsitzender des Departments für Angewandte Informatik der FH (University of Applied Sciences) JOANNEUM Graz.


Fotos: Adobe Firefly, FH Joanneum




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